Dienstag, 4. Oktober 2011

Inn: Tösener am Freitag


Die tosende Tösener haben wir nach gut vier Stunden Fahrt in Theresas komfortablem VW-Bus gegen Halbzwölf erreicht. Anstelle von erwartetem Niedrigwasser fanden wir sattes Hochwasser mit gewaltigen Wellen vor. Lutz war die Strecke am Vormittag schon waghalsig allein gepaddelt (was er auch nicht noch einmal machen würde).

Wir ließen eins der inzwischen sechs Autos (wir waren 22 - einzelne waren aus Bayern angereist) an der Aussatzstelle, fuhren an die Einsatzstelle, ließen dort die "Wuchtwasserwellenwilligen" zu Wasser und suchten dann als sieben "Sissys" die Einsatzstelle unter dem oberen Schwallabschnitt. Als wir die endlich fanden und dort ankamen schwamm gerade Jens vorbei - er war offenbar gleich am Anfang gekentert und trotz aller Bemühungen (über die ich gleich noch berichte) konnte ich diese größte und gleichzeitig spektakulärste Schwimmstreckenbilanz nicht übertrumpfen.


Wir waren in vier Gruppen unterwegs. Die hohen Wellen und das Wuchtwasser machte mir von Anfang an zu schaffen.Es kam jetzt schon zu gelegentlichen Kenterungen aber wir kamen eigentlich gut zurecht bis wir an einen Schwallabschnitt kamen, in dessen Verlauf die gewaltigen Wellen zu sechs Simultankenterungen führten. Mich erwischte die letzte Welle am Ende der Schwallstrecke als ich meinte schon alles hinter mir zu haben.
Schwimmend erlebte ich die nächsten (geschätzten) 500 Meter ebenfalls als wuchtige Schwallstrecke. Die gekenterten Kajaks hinter mir wurden nach und nach geborgen, ihre Insassen auch - an verschiedenen Ufern. Ich war zu weit vorne, schwamm lang und weit mit Boot und Paddel und arbeitete mich zum linken Ufer hin. Immer wieder schlugen Wellen über mir zusammen und ich schluckte auch mal leckeres Innwasser (es schmeckt tatsächlich etwas süßlich). Ich lernte an der Form der Wellen zu erkennen wann mit Grundberührungen zu rechnen war und hob vorher die Beine. Aufzustehen wäre bei der Wasserwucht nicht ratsam gewesen. Irgendwann, als ich es endlich einigermaßen nah ans Ufer geschafft hatte, sah ich Christian der an seinem Wurfsack herumnestelte. Ich nahm Boot und Paddel in eine Hand. Er warf, ich fing. Dann musste er sich gut ins Felsufer stemmen um mein Gewicht und das des Bootes abzufangen.

Bis sich alle zusammengerauft hatten und alle Boote zu allen Paddlern gebracht waren hatte ich genug Zeit mein überschüssiges Adrenalin abzubauen. Das Unglücksgeschehen mit mehreren Kenterungen gleichzeitig und die dadurch ausgelöste Verwirrung machte mal wieder das eine oder andere Sicherheitsdefizit offenbar. So hatten wir fünf linksseitigen z.B. alle unsere Handys in den Autos gelassen. Das soll nicht wieder vorkommen. Die letzten paar Kilometer der Tösener Strecke mit einer Reihe von Sohlschwellen waren vergleichsweise entspannend.


An der Aussatzstelle konnten wir dann bei strahlendem Wetter auf die Autos warten (das bedauernswerte Fahrpersonal hatte zu hetzen), Paddelsachen trocknen und plaudern. Dann wurde alles wieder verstaut und wir fuhren nach Lavin.


Unterwegs besichtigten wir Rolands Kenterstelle auf der Scoulerstrecke, die für morgen auf dem Programm stand.


Wir bezogen unser Gästehaus und dekorierten den Vorplatz mit Neoprenhosen, Paddeljacken, Schwimmwesten und dergleichen mehr.

Abends gab es echte Nürnberger Würste (die Tom von dort mitgebracht hat) mit Sauerkraut und Kartoffelbrei. Wir hatten Essensgruppen eingeteilt. Gegen 22:30 Uhr steuerten die meisten das Matratzenlager an, in dem es sich überraschend gut schlafen ließ.

Inn: Scuolser am Samstag


Am anderen Morgen war ich kurz nach sieben auf den Beinen. Nach der Dusche half ich Lutz beim Spülen der Gläser vom Vorabend. Nebenher trank ich einen großen Espresso. Frühstück gab es erst um 8:30 Uhr.
Die eingeteilten Essensgruppen hatten sich für jede Mahlzeit etwas einfallen lassen. Gegen 10:00 Uhr brachen wir zur Einsatzstelle der Scuolser Strecke auf. Wir warteten die Autoumsetzer nicht ab sondern paddelten in zwei Gruppen gleich los.



An der ersten kniffligen Stelle scouteten wir gründlich, einige umtrugen, ich wackelte hinunter und kenterte bei Erreichen des unteren Kehrwassers (offside) da ich den abschließende Bogenschlag verpennt hatte. Weil ich an der Stelle gleich wieder aus dem Wasser kam trug ich von diesem Mißgeschick keinen moralischen Knacks davon.


Vor Rolands traditioneller Kenterstelle, dem "Straßen-S" begegneten wir Rainer mit den "GOC-Wilden", die sich diese Schlüsselstelle von der Straße aus ansahen. Ich war dankbar, dass sie wieder aufbrachen bevor ich meinen Versuch startete. Als es mir dann gelungen war, durch Rolands Angststelle unbeschadet hindurch zu kommen wurde ich etwas selbstbewußter. Roland selbst kenterte zwar nach der ersten Stufe, rollte aber souverän gleich wieder vor der zweiten Stufe auf.


Bei der dritten kniffligen Stelle, an der einige kenterten weil in ihr ein biestiger Stein verborgen lag, kam ich erfreulich gut durch und steigerte mich bezüglich meiner Paddelkompetenzen in leichten Größenwahn. Dabei hatte ich mich in Wirklichkeit an all diesen Stellen einigermaßen glücklich "hindurchgewackelt". Utz hat das eine oder andere Bild dieser Abfahrten gemacht.



Der abschließende Abschnitt kam uns leichter vor (wohl auch weil wir jetzt Üung hatten). Trotzdem kam es an einem leicht verblockten seichten Abschnitt zu einer Kenterung Macs. Er rollt ja gewöhnlich aus jeder Situation aber hier musste er aussteigen.

So seicht die Stelle war - er kam nicht ohne Hilfe von dem Stein, auf denn er sich mitten im Fluss gerettet hatte, und sein Boot war völlig überpült und lag vor einem Stein mit der Luke nach oben verklemmt. Wir konnten seine mißliche Situation nutzen um eine prima Material- und Personenbergung durchzuführen.


Während unserer nachfolgenden Vesperpause traf eine weitere Paddelgruppe ein, die von Rüdi aus Ulm angeführt wurde. Wir zelebrierten ein herzliches Wiedersehen. Mit Rüdi zusammen habe ich meine Trainerausbildung gemacht und ich habe ihn zu meinem Lieblingskettenraucher ernannt.


Mein bis jetzt angesammelter Gößenwahn reichte nicht aus um mich den Abschnitt mit der Prallwand direkt bei der Aussatzstelle in Scouls, dem "Scoulser Eck" noch paddeln zu lassen. Dort drückt einen das Prallwasser in eine rechts liegene Verschneidung.
An dieser Prallwand würde ich mit meinen eingeschränkten Paddelkompetenzen unweigerlich offside kentern. Ich trug mein Boot über die Brücke und sah mir das Treiben von oben an. Kurz bevor wir von dort aufbrachen kamen auch Rainer und die GOC-Wilden in ihren Canadiern und fuhren den Abschnitt natürlich bravurös (auch die Linkspaddler).


Wir verluden die Boote. Niemand wollte jetzt mehr - wie ursprünglich für den Anschluß geplant - die Giarsun-Strecke paddeln. Wir fuhren heim, hängten die nassen Sachen in die Sonne und gingen zum Chillen über.
Am Abend waren Gerhard, Roland und ich mit Kochen dran. Gerhard hatte Planung und Koordination in die Hand genommen und wir leisteten nur (aber gern) sklavische Dienste. Es gab eine Kartoffelsuppe und anschließend Nudeln mit Lachssoße. Nach dem Essen wurden Videos, Gerhards Bilder aus Korsika und seine eingescannten Dias aus Nepal angeschaut.

Schon um 22:00 Uhr verzog ich mich in meinen Schlafsack.

Inn: Zernezer und Giarsun am Sonntag

Kurz nach Sieben traf ich wieder Lutz in der Küche an. Wir spülten wieder mal die Gläser von Vorabend und tranken schon mal einen Kaffee. Zum Frühstück gab es schließlich Bacon and Eggs.

Zernezer
Eine Gruppe steuerte heute morgen direkt die Giarsunstrecke an. Diese Gruppe wollte anschließend die noch schwierigere Ardezer paddeln. Wir Normalsterblichen fuhren etwas später und nach einigen logistischen Verwirrungen nach Zernez von wo eine recht leichte aber bei diesem Wasserstand auch recht "kratzige" Strecke beginnt.

Wir teilten uns in drei kleine Gruppen auf und gingen es sehr entspannt an. Vielleicht ein wenig zu entspannt: an einer völlig harmlosen Stelle verkantete ich das Boot quer treibend an einem Stein, der Süllrand kam unter Wasser und das Boot lief voll. Mir blieb nichts anderes übrig als ins knietiefe Wasser zu springen und das Boot wieder auszuleeren.



Mehr ereignete sich auf diesem gemütlichen Abschnitt eigentlich nicht. Wir genossen das schöne Wetter und die großartige Landschaft spielten in der einen oder andern kleinen Welle und waren gegen 14:00 Uhr an der Aussatzstelle in Giarsun, wo wir unsere Vesperbrote verschlangen und wo nach und nach die anderen Gruppen eintrafen.


Jetzt galt es sich zu entscheiden ob ich einen gemütlichen Nachmittag in einem Cafe ansteuern sollte (ein großer Teil, der "Zernez-Paddler" schloss die Tour hier ab) oder ob ich noch weiter die weitaus kniffligere Giarsun paddeln sollte. Ich entschied mich für letzteres.

Giarsun
Nachdem wir uns von den anderen verabschiedet fuhren wir zu siebt weiter in das immer enger und steiler werdende Flusstal. Immer mehr große Blöcke lagen im Wasser und oftmals war überhaupt nicht zu erkennen, welche Route zu paddeln war. Stefan fuhr voraus und ich folgte Roland.


Nach relativ kurzer Zeit erreichten wir die Preussenschleuder, an der massig viele Paddler versammelt waren. Drei von uns entschieden sich (auch aufgrund dieser Publikumsmassen) fürs Umtragen. Das Wiedereinsetzen unterhalb erfolgte mittels Klippenstart, der mir erstaunlich gut gelang - wohl auch weil Lutz mir ordentlich viel Schwung gab.

An einer Stelle kurz weiter unten mussten wir durch eine recht turbulente Rechtskehre. Ich geriet auf das links liegende Prallpolster, kippte rechts weg weil ich als Linkspaddler rechts nicht stützen kann und schwamm ein Stück. Mit den zahlreichen Helfern um mich herum hatte ich mich schnell wieder sortiert.
Weiter ging es zwischen großen Felsen und durch enge Durchfahrten. Immer mal wieder stiegen wir an unübersichtlichen Stellen aus und sahen uns den nachfolgenden Abschnitt gründlich an. Gelegentlich ließ es sich nicht vermeiden, einen Stein anzurempeln. An einer weiteren engen Rechtskurve kenterte ich erneut (diesmal erstaunlicherweise onside), konnte mich und die Ausrüstung aber schnell selbst retten.
Ganz zum Abschluss kam noch eine Stufe, die ich geradeaus hinunter sauste. Mein Boof ließ etwas zu wünschen übrig und ich nahm allerhand Wasser über. Auch vorher war ich immer wieder gezwungen gewesen kurz ans Ufer zu paddeln, auszusteigen und das Boot zu leeren bevor es aufgrund der angesammelten Wassermassen unnavigierbar wurde. Die vielen Stufen und hohen Wellen ließen doch immer wieder einiges Wasser ins Boot schwappen.



An der Aussatzstelle, die den Beginn der Ardezer Strecke markiert, warteten schon Norbert und Tine auf uns. Wir verluden die sieben Boote auf zwei Autos und fuhren zurück nach Lavin wo heiße Duschen auf uns warteten.

Abends gab es Chilli con Carne, zum Nachtisch Mangocreme und danach Bilder und Videos vom Tage. Stefan hat viel gefilmt und fotografiert.

Inn: Imster am Montag


An diesem Morgen waren die meisten Gläser schon gespült. Gefrühstückt wurde etwas früher und zügiger als sonst denn wir mussten ja noch unsere Sachen packen, die Betten abziehen und das Haus aufräumen. Als das getan war bildeten sich zunächst zwei Fraktionen: die, die noch den Tag über im unteren Engadin blieben und die, die zur Imster Schlucht und an die Ötz wollten. Wir verabschiedeten uns und brachen zur Einsatzstelle in Imst auf. Dort wurden wir Imster-Schlucht-Paddler ausgesetzt und der Autokorso bewegte sich mit der dritten Gruppe weiter zur Ötz.

Wir ließen uns Zeit und paddelten gemütlich die Imster Strecke. So gemütlich das eben ist immer wieder auf Schwallabschnitten mit ziemlich gewaltigen Wellen zu paddeln. Ich hatte mir ja mal vorgenommen die Imster Schlucht ab Mittelwasser nur mit einem Raft zu befahren weil ich die Wellen schon bei Niedrigwasser so einschüchternd fand. Nun musste ich wohl oder übel mit dem Canadier da durch. Die Kenterung von der Tösener und die anschließende lange Schwimmstrecke steckte mir noch in den Knochen, so dass es einiger Zeit bedarf bis es mir gelang das Schaukeln und Hoppsen auf den Wellen zu genießen. Als ich endlich dieses Stadium erreicht hatte waren wir schon an der Memminger Welle, die inzwischen gerade mal nur noch ein Wellchen ist und damit auch an der Ötzmündung, an der wir Pause machten um auf die anderen zu warten.


Um uns die Zeit zu vertreiben beschäftigten wir uns mit Rettungsübungen. Dabei kamen eklatante Defizite zutage. Ich brachte es z.B. nicht fertig meinen 30-Meter Sack ans andere Ufer der Ötz zu werfen, das kaum 20 Meter entfernt war.

Als unsere Ötzfahrer eintrafen kamen auch Rainer mit Holger, Petra und Peter(?) in ihren Canadiern vorbei. Wir plauderten kurz, machten uns wieder paddelfertig und hoppelten Áüber die letzten zwei/drei welligen Kilometer zur Aussatzstelle.

Dort traf ich noch Barbara, die ich - wie Rüdi, den ich vor drei Tagen auf der Scuolser Strecke getroffen hatte - vom Trainerkurs her kenne. Offenbar treiben sich so manche über dieses verlängerte Wochenende in der Schweiz herum. Das bekamen wir dann auch zu spüren als wir unser Gerümpel verpackt und uns auf den langen Heimweg machten: wir gerieten frühzeitig in den unvermeidlichen Rückreisestau und bekamen deshalb noch einen grandiosen Blick auf die Zugspitze im Licht der untergehenden Sonne geboten. Die Rückfahrt dauerte erheblich länger als die Hinfahrt.

Inn: Engadinfazit

Schon vor zwei Jahren habe ich an der traditionellen Engadinfahrt der Paddelfreunde teilgenommen und die entspannte Athmosphäre, das gute Wetter und die beruhigend niedrigen Pegel genossen. In diesem Jahr war es – vielleicht abgesehen von den Pegeln (die nun auch nicht gerade einschüchternd waren) - genauso, wenn nicht besser.

Dass das Wetter auch mal etwas kapriziös sein kann weiß ich aus Berichten von früheren Fahrten. Die Atmosphäre stimmt eigentlich immer. Das liegt zu einem nicht geringen Teil an den Organisa- toren (früher Gerhard, heute Lutz und Roland) aber auch an dem netten Gästehaus, in dem wir uns diesmal richtig ausbreiten durften weil keine anderen Gäste da waren.


Lutz und Roland hatten sich zusammen mit Gerhard einige schöne und den Kompetenzen der Teilnehmer angepasste Touren einfallen lassen. Die 22 Teilnehmer haben erfreulich gut harmoniert. Dabei waren wir ein wirklich bunt gemischter Haufen aus alten Hasen, Veteranen, Paddeljugend und Kanupolospielern. Die Regelung mit den Essensgruppen hat zu einigen vorzüglichen Mahlzeiten beigetragen.


Fast habe ich Sorge, dass so eine günstige Mischung (Wetter, Wasser, Leute) beim nächsten Mal nicht wieder zusammentreffen könnte. Aber man kann die Zeit ja auch nicht anhalten und so können sich im nächsten Jahr ja neue Schwerpunkte herausbilden, die die Fahrt ähnlich erfreulich prägen. Ich bin gespannt und werde alles daran setzen mich rechtzeitig anzumelden.

Ich habe fast 300 Bilder gemacht, sie nur flüchtig durchgesehen und gleich in einem Webalbum abgelagert. Ich rechne damit, dass ich noch das eine oder andere Bild bekomme, das ich dann in den jeweiligen Bericht einbaue oder dem ich noch einen Sondereintrag hier gönne. Der kleine Engadinurlaub wird mich noch lange in Gedanken begleiten und den vermutlich bald grauer werdenden Herbst ein wenig heller erscheinen lassen.